Wir freuen uns dass Ursula S. sich bei uns heute wohlfühlt und ihre Geschichte aufgeschrieben hat um anderen Mut zu geben. Vielen Dank an Ursula für den tollen Bericht über Ihre Entwicklung und die lieben Worte die sie darin für uns und Damast hat.
Kerstin Puse
Meine Geschichte mit den Pferden
Ursula S.
Im Januar dieses Jahr bin ich 60 Jahre alt geworden. Vor kurzem kam ich auf die Idee, mal meine Geschichte mit den Pferden aufzuschreiben. Es ist nämlich eine nicht ganz normale Geschichte. Vielleicht hilft es anderen Menschen, die gerne reiten möchten, wenn sie das hier lesen. Vielleicht trägt diese Geschichte dazu bei, das sehr ängstliche Menschen, ihren ganzen Mut zusammennehmen, und sich dieser Angst stellen. So habe ich es getan. Allerdings unter großen Anstrengungen und einer gehörigen Portion Mut.
Ich hatte in meinem Leben (ab 40) schon öfters Kontakt zu Pferden gehabt. Meistens durch meinen Mann bedingt. Mehrere Versuche mit dem Reiten zu beginnen, habe ich immer wieder abgebrochen. Ich konnte nie meine Angst überwinden. Manchmal hatte ich blutige Finger, weil ich die Zügel so verkrampft in der Reitstunde gehalten hatte. So hatte ich das Thema “Reiten” für mich eigentlich abgeschlossen.
Im Spätsommer 2009 kam dann eines Abends mein Mann nach Hause und teilte mir mit, er habe sich zu einem Reitkurs für Anfänger angemeldet und ob ich nicht Lust hätte mitzumachen. Ich sagte ihm ab, aber versprach ihm mal mitzukommen und zuzuschauen. An diesem besagten Abend habe ich dann gleich auf einem Pferd gesessen. Sie haben mich überredet den Kurs mitzumachen. Also meldete ich mich für 10 Stunden Reitkurs an. Diese überstand ich dann auch und so meldeten wir uns auch nach dem Kurs für weitere Reitstunden an.
Meist saß ich total ängstlich auf einem Pferd und es war eher eine Qual als ein Genuss für mich. Putzen, Trensen, Satteln, das war furchtbar, weil ich immer Angst hatte, ich könne getreten oder verletzt werden. Doch trotz der Angst bin ich immer wieder hingegangen.
Um endlich diese Angst loszuwerden und etwas mehr Routine mit dem Pferd zu bekommen meldete ich mich zu einem Kurs an, wo ich den Basispass erwerben konnte. Mit 10 Jugendlichen traf ich mich dann eine Woche lang von morgens bis nachmittags, um alles zu tun, was für das Pferd wichtig ist. Stall ausmisten, Stallgasse kehren, füttern, Trensen, putzen etc. alles machte ich mit, um mehr Sicherheit zu erlangen. Praktischen und theoretischen Unterricht hatten wir auch. Ich bekam dann auch den Basispass.
Aber die Angst verringerte sich nicht, sie wurde eher noch stärker. Da mein Reitlehrer überhaupt kein Gefühl für ängstliche Menschen hatte, und er es nicht verstehen konnte, dass ich nicht galoppieren wollte, wechselte ich zu einem anderen Reiterhof. Mein Mann hatte einen Gutschein für einen Reiterhof in unserer Nähe geschenkt bekommen. Dort schauten wir uns um, und begannen dann auf diesem Hof Reitstunden zu nehmen. Unsere Tochter hatte sich mittlerweile mit zu uns dazu gesellt.
Aber auch hier war es so, dass ich schon auf dem Weg zum Hof völlig ängstlich war und manchmal zittere ich am ganzen Körper. Es gab Situationen, wo ich die Reitlehrerin bat, absteigen zu dürfen, weil ich es nicht mehr aufhielt.
Einmal scheute mein Schulungspferd, weil ein kleiner Schneehaufen in der Mitte der Halle lag. Es traute sich keinen Schritt mehr weiter. Und mir ging es nicht anders. Auch ich konnte keinen Schritt weiter gehen. Eigentlich wollte ich mein Pferd zurück zum Stall bringen. Da nahm die Lehrerin das Pferd, führte es zum Schneehaufen und nun sollte ich aufsteigen. Ich hatte aber immer noch nicht den Mut aufzusteigen, also bat ich sie mit dem Pferd zu Schneehaufen zu reiten von der einen Seite wie auch von der anderen Seite. Erst jetzt war ich zu bewegen aufzusteigen, aber ich saß trotzdem zitternd darauf.
Ich bekam immer die ruhigsten Pferde, einmal wurde mir gesagt, dieses Pferd sei wie eine Lebensversicherung. Lange Zeit war ich an der Longe. Ich nahm Einzelstunden. Irgendwann konnte ich dann auch in der Halle frei reiten. Allerdings ausschließlich Schritt und Trab. Beim Traben hielt ich mich Monate am Gurt fest. Ich traute mich nicht loszulassen Aber die Angst wollte mich nicht verlassen. Oftmals war ich froh als endlich die Reitstunde vorüber war und ich absteigen durfte. Meist fragte ich schon ein paar Minuten früher, ob ich absteigen dürfe.
Manche würden mich fragen, warum ich mich so quäle und warum ich mir nichts aussuchen würde, wo ich Spaß hätte ohne Angst. Aber immer wieder zog es mich zum Pferd. Ich konnte nicht davon lassen. Ich wusste, dass es eine Bedeutung für mich hatte.
So wechselte ich noch mal zu einem anderen Hof, von dem mir eine Freundin erzählt hatte. Dort war eine Reitlehrerin, die es verstand, mit mir ängstlichen Menschen umzugehen. Sie hatte sehr viel Geduld mit mir und ich machte auch Fortschritte.
Vor 2 Jahren bin ich dann wieder durch eine Reitfreundin auf eine Westernranch aufmerksam gemacht worden. Dort konnte man Smarreiterstunden machen. Das ist eine Art Sitzschulung. Also ging ich dort hin, weil ich glaubte dort jemanden zu finden, der mir meine Angst nehmen könne.
Ich lernte Kerstin Puse kennen, die Inhaberin der Sanddorn Corral Ranch. Ihr erzählte ich meine Geschichte. Sie teilte mir Ihr Pferd Damast zu. Ein 24 jähriger Wallach. Im Umgang mit Pferden sehr dominant aber mit dem Menschen ein sehr gutmütiges Pferd. Sie meinte er wäre gut für mich.
Irgendwann sagte sie mir, ich solle mal darüber nachdenken, ob es so gut für mich wäre, auf 3 verschiedenen Reiterhöfen, mit 3 verschiedenen Reitlehrern und 3 verschiedenen Pferden. Ich ging ja zu 3 unterschiedliche Reiterhöfen.
Also entschied ich mich für Damast und Kerstin. Wir machten Einzelunterricht, indem sie oft die ganze Stunde nehmen mir herlief und mich korrigierte oder auch lobte. Mehrere Stunden nur Schritt noch kein Trab. Sie meinte ich solle erst mal die Sicherheit im Schritt erlangen. Irgendwann ging es dann auch zum Trab. Ab und zu machten wir auch mal Bodenarbeit, oder sie brachte mir das Longieren bei. Aber auch dabei verlor ich nur wenig meine Angst.
Eines Tages fragte sie mich, ob ich Lust hätte mich um Damast zu kümmern. Er wäre schon so alt und es wäre gut, wenn ihn jemand regelmäßig bewegt und ihn pflegt. Das musste ich mir nicht lange überlegen. Das war für mich wie ein Geschenk. Drei mal pro Woche versuchte ich zu Damast zu gehen. Zwischendurch nahm ich immer regelmäßig Reitstunden, auch mal mit Bodenarbeit. So konnte ich mehr und mehr Sicherheit im Umgang mit dem Pferd gewinnen.
Manchmal, wenn ich Damast vom Paddock holen wollte, und ich mußte dann einen Weg gehen, wo andere Pferde standen, holte ich mir immer Hilfe, weil ich Angst vor den Reaktionen der Pferde hatte. Anfangs kam er nicht so ohne weiteres wenn ich ihn rief um mit mir zu gehen. Heute kommt er, wenn auch mit etwas Bequemlichkeit. Wir haben uns aneinander gewöhnt. Kerstins Mutter sagte mal zu mir, dass wohl Damast mich braucht, so wie ich ihn brauche.
Von Kerstin weiß ich, dass Damast auch eine besondere Lebensgeschichte hat, in der Angst eine große Rolle gespielt hat. Vielleicht ist es seine eigene Geschichte mit der Angst , die uns miteinander verbindet. Vielleicht spürt er meine Angst und weiß damit umzugehen, weil er sie auch kennt.
Mittlerweile sind 2 Jahre vergangen, dass ich Damast pflege. Heute kenne ich keine Angst mehr, wenn ich im Auto zum Reiterhof fahre. Inzwischen reite ich alleine auf dem Reitplatz, ich steige ohne Hilfe auf und oft ist niemand da, so dass ich ganz alleine mit Damast auf dem Platz bin.
Es ist ein gutes Gefühl so etwas geleistet zu haben. Ich habe diese übermächtige Angst besiegt. Ich bin nicht völlig ohne Angst, aber sie ist nicht mehr so überwältigend.
Manchmal, wenn ich dann ganz alleine auf dem Hof bei den Pferden bin, denke ich: Hier bin ich Zu Hause. Es ist so, als hätte ich den Ort gefunden, wo meine persönliche Kraftquelle ist. Für mich ist es wunderbar, den Ort gefunden zu haben, wo ich Kraft schöpfen kann.
Deshalb möchte ich alle bestärken, den Mut aufzubringen und sich nicht unterkriegen zu lassen.